Dieser Artikel erschien erstmals am 14. Juni 2016 auf dem Blog Tichys Einblick
„Sie müssen einfach empörter sein“, ermahnte mich mein Sprecher, als in meiner Zeit als Bundesministerin mal wieder eine frauenpolitische Rede anstand. Ich gebe zu, empört sein ist echt nicht meine Kernkompetenz. Vor allem in frauenpolitischen Fragen nicht, denn so oft wurde ich das Gefühl nicht los, dass manche allseits beklagte „Diskriminierung“ vor allem auf unterschiedliche Verhaltensweisen von Männern und Frauen zurückzuführen ist. Und dass solche unterschiedlichen persönlichen Präferenzen auch eine Bundesfrauenministerin nach meinem Staatsverständnis schlicht nichts angehen. Zumindest hat sie keine Werturteile darüber zu fällen, ob die Art, wie Frauen und Männer in der Familie ihr Leben organisieren nun „antiquiert“, „überkommen“ oder „modern“ und „fortschrittlich“ ist. Beim alljährlichen „Equal-Pay-Day“, dem Tag also, an dem die unterschiedlichen durchschnittlichen Verdienste von Männern und Frauen angeprangert werden, tat ich mir immer besonders schwer. 22 Prozent beträgt in Deutschland der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Stundenlohn einer Frau und dem eines Mannes. Empörend? Zur Berechnung dieses unbereinigten Gender-Pay-Gaps werden alle Frauen- und Männergehälter zusammengezählt und durch die vom jeweiligen Geschlecht geleisteten Arbeitsstunden geteilt. Der gelegentlich vorgebrachte Vorwurf, der Gender-Pay-Gap berücksichtige nicht, dass Frauen häufiger Teilzeitarbeit leisteten, trifft also nicht zu: Es geht um Stundenlöhne. Dennoch sagt die Zahl von 22% praktisch nichts aus, zumindest nichts darüber, wie in Deutschland Männer und Frauen im selben Beruf, mit vergleichbarer Qualifikation, Erfahrung und Einsatzbereitschaft bezahlt werden. Denn die Gruppen der Männer und Frauen, deren Durchschnittsgehälter hier verglichen werden, weisen nun mal unterschiedliche, für das Gehalt aber ausgesprochen relevante Merkmale auf. Die Qualifikation ist das augenscheinlichste: 84% beträgt derzeit der Männeranteil beim Studium der Elektro- und Informationstechnik, 77% der Studenten der Germanistik sind Frauen. Und selbst in der Betriebswirtschaftslehre, die inzwischen von immerhin 48% Frauen studiert werden, kaprizieren sich die Studentinnen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte häufiger auf Marketing und Personalwirtschaft, während die Studenten häufiger die lukrativeren Schwerpunkte Accounting, Controlling, Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsinformatik wählen. Wenn also mit dem Gestus der Empörung auf die Lohnlücke von 22% verwiesen wird, dann wird im Kern angeprangert, dass Unternehmen den E-Techniker besser bezahlen als die Germanistin (übrigens auch die E-Technikerin besser als den Germanisten. Aber diese Konstellation gibt es eben nicht so häufig.). Kann man das Unternehmen ernsthaft zum Vorwurf machen? Wohl kaum. Dennoch hält sich der Mythos über die 22 Prozent, die Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienten als Männer, hartnäckig. Als Ministerin habe ich eine besonders eifrige Verfechterin dieser These mal gefragt, warum dann nicht mehr Unternehmen auf die Idee kommen, nur Frauen einzustellen und so 22 Prozent der Lohnkosten zu sparen. „Da sehen Sie mal, wie heftig die Vorurteile gegenüber Frauen sind, dass die Unternehmen freiwillig auf diesen Profit verzichten“, wurde mir daraufhin nach einer kurzen Schrecksekunde todernst mitgeteilt. Etwas beweglichere Geister haben flugs das Wörtchen „gleichwertig“ dem gängigen Vorwurf hinzugefügt. „Noch immer erhalten Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger Entgelt als Männer – für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Das ist die Realität für erwerbstätige Frauen in Deutschland.“, hieß es im gemeinsamen Aufruf von DGB, Deutschen Frauenrat und Sozialverband Deutschland zur zentralen Kundgebung zum Equal-Pay-Day 2016 am Brandenburger Tor, an der sich auch Vertreterinnen meiner Partei beteiligten. Ich verstehe, dass der DGB gerne ex Cathedra festsetzen möchte, welche Arbeit in Deutschland gleichwertig ist. Und als Soziologin (Nebenfächer: Philosophie und Geschichte) fände ich es auch prima, wenn endlich mal amtlich festgestellt würde, dass Geisteswissenschaftler für Unternehmen genauso wertvoll sind wie Naturwissenschaftler. Bloß: in einer freien Markwirtschaft entscheiden das die Unternehmen. Und das wollen zumindest die Kolleginnen aus meiner Partei (hoffentlich!) auch nicht ändern. Dass sich das Studiums- und Berufswahlverhalten von Männern und Frauen beharrlich so stark unterscheidet, ist offenkundig und erklärt einen gewichtigen Teil des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen. Auch weitere wichtige Faktoren sind wissenschaftlich weitgehend identifiziert, wenn man sie herausrechnet, kommt man zu einer „bereinigten“ Lohnlücke, die je nach Anlage der Studie zwischen acht Prozent (Statistisches Bundesamt) und zwei Prozent (Institut der deutschen Wirtschaft) liegt:
„Sie müssen einfach empörter sein“, ermahnte mich mein Sprecher, als in meiner Zeit als Bundesministerin mal wieder eine frauenpolitische Rede anstand. Ich gebe zu, empört sein ist echt nicht meine Kernkompetenz. Vor allem in frauenpolitischen Fragen nicht, denn so oft wurde ich das Gefühl nicht los, dass manche allseits beklagte „Diskriminierung“ vor allem auf unterschiedliche Verhaltensweisen von Männern und Frauen zurückzuführen ist. Und dass solche unterschiedlichen persönlichen Präferenzen auch eine Bundesfrauenministerin nach meinem Staatsverständnis schlicht nichts angehen. Zumindest hat sie keine Werturteile darüber zu fällen, ob die Art, wie Frauen und Männer in der Familie ihr Leben organisieren nun „antiquiert“, „überkommen“ oder „modern“ und „fortschrittlich“ ist. Beim alljährlichen „Equal-Pay-Day“, dem Tag also, an dem die unterschiedlichen durchschnittlichen Verdienste von Männern und Frauen angeprangert werden, tat ich mir immer besonders schwer. 22 Prozent beträgt in Deutschland der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Stundenlohn einer Frau und dem eines Mannes. Empörend? Zur Berechnung dieses unbereinigten Gender-Pay-Gaps werden alle Frauen- und Männergehälter zusammengezählt und durch die vom jeweiligen Geschlecht geleisteten Arbeitsstunden geteilt. Der gelegentlich vorgebrachte Vorwurf, der Gender-Pay-Gap berücksichtige nicht, dass Frauen häufiger Teilzeitarbeit leisteten, trifft also nicht zu: Es geht um Stundenlöhne. Dennoch sagt die Zahl von 22% praktisch nichts aus, zumindest nichts darüber, wie in Deutschland Männer und Frauen im selben Beruf, mit vergleichbarer Qualifikation, Erfahrung und Einsatzbereitschaft bezahlt werden. Denn die Gruppen der Männer und Frauen, deren Durchschnittsgehälter hier verglichen werden, weisen nun mal unterschiedliche, für das Gehalt aber ausgesprochen relevante Merkmale auf. Die Qualifikation ist das augenscheinlichste: 84% beträgt derzeit der Männeranteil beim Studium der Elektro- und Informationstechnik, 77% der Studenten der Germanistik sind Frauen. Und selbst in der Betriebswirtschaftslehre, die inzwischen von immerhin 48% Frauen studiert werden, kaprizieren sich die Studentinnen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte häufiger auf Marketing und Personalwirtschaft, während die Studenten häufiger die lukrativeren Schwerpunkte Accounting, Controlling, Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsinformatik wählen. Wenn also mit dem Gestus der Empörung auf die Lohnlücke von 22% verwiesen wird, dann wird im Kern angeprangert, dass Unternehmen den E-Techniker besser bezahlen als die Germanistin (übrigens auch die E-Technikerin besser als den Germanisten. Aber diese Konstellation gibt es eben nicht so häufig.). Kann man das Unternehmen ernsthaft zum Vorwurf machen? Wohl kaum. Dennoch hält sich der Mythos über die 22 Prozent, die Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienten als Männer, hartnäckig. Als Ministerin habe ich eine besonders eifrige Verfechterin dieser These mal gefragt, warum dann nicht mehr Unternehmen auf die Idee kommen, nur Frauen einzustellen und so 22 Prozent der Lohnkosten zu sparen. „Da sehen Sie mal, wie heftig die Vorurteile gegenüber Frauen sind, dass die Unternehmen freiwillig auf diesen Profit verzichten“, wurde mir daraufhin nach einer kurzen Schrecksekunde todernst mitgeteilt. Etwas beweglichere Geister haben flugs das Wörtchen „gleichwertig“ dem gängigen Vorwurf hinzugefügt. „Noch immer erhalten Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger Entgelt als Männer – für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Das ist die Realität für erwerbstätige Frauen in Deutschland.“, hieß es im gemeinsamen Aufruf von DGB, Deutschen Frauenrat und Sozialverband Deutschland zur zentralen Kundgebung zum Equal-Pay-Day 2016 am Brandenburger Tor, an der sich auch Vertreterinnen meiner Partei beteiligten. Ich verstehe, dass der DGB gerne ex Cathedra festsetzen möchte, welche Arbeit in Deutschland gleichwertig ist. Und als Soziologin (Nebenfächer: Philosophie und Geschichte) fände ich es auch prima, wenn endlich mal amtlich festgestellt würde, dass Geisteswissenschaftler für Unternehmen genauso wertvoll sind wie Naturwissenschaftler. Bloß: in einer freien Markwirtschaft entscheiden das die Unternehmen. Und das wollen zumindest die Kolleginnen aus meiner Partei (hoffentlich!) auch nicht ändern. Dass sich das Studiums- und Berufswahlverhalten von Männern und Frauen beharrlich so stark unterscheidet, ist offenkundig und erklärt einen gewichtigen Teil des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen. Auch weitere wichtige Faktoren sind wissenschaftlich weitgehend identifiziert, wenn man sie herausrechnet, kommt man zu einer „bereinigten“ Lohnlücke, die je nach Anlage der Studie zwischen acht Prozent (Statistisches Bundesamt) und zwei Prozent (Institut der deutschen Wirtschaft) liegt:
- Frauen sind seltener in Führungspositionen vertreten.
- Frauen üben häufiger Teilzeitbeschäftigungen aus oder arbeiten in Minijobs.
- Frauen unterbrechen nach der Geburt eines Kindes häufiger ihre Tätigkeit und verfügen somit über weniger Berufserfahrung.