Plädoyer für eine Impfpflicht für Kinder in öffentlichen Kitas

Dieser Diskussionsbeitrag erschien am 27. Februar 2015 im Wiesbadener Kurier Meine jüngste Tochter Mathilde ist acht Monate alt. So alt also, dass der sog. Nestschutz – also der Schutz von neugeborenen, gestillten Babys durch die Antikörper der geimpften Mutter – nicht mehr zuverlässig wirkt. Gleichzeitig aber auch noch zu jung für die Impfung gegen Masern, die das Robert-Koch-Institut erst für 11 bis 14 Monate alte Kinder empfiehlt. Meine Tochter ist ebenso wie immungeschwächte Menschen, die sich nicht impfen lassen können, darauf angewiesen, dass andere Menschen sich impfen lassen. Masern sind eine ernste Krankheit. Wer sie durchgemacht hat, berichtet oft, wie unsagbar elend er sich dabei fühlte. Das Gefährliche aber ist, dass es bei jeder tausendsten Infektion zu einer Hirnhautentzündung kommt, die in 30 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Außerdem kann es nach einer Maserninfektion noch Jahre später zu SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) kommen. Diese Spätfolge, bei der sich über Jahre langsam das Gehirn auflöst, verläuft immer tödlich. Angesichts dieser möglichen gravierenden Folgen der Masern gilt zweifelsfrei: Die Risiken einer Nicht-Impfung sind bei fast allen Menschen erheblich höher als die Risiken einer Impfung. In Berlin wurden in den letzten Wochen 637 Masernfälle registriert, der schlimmste Ausbruch in Deutschland seit Einführung der Meldepflicht. In der letzten Woche ist ein anderthalbjähriger Junge gestorben. Auf Facebook schrieb ich dazu, dass auch die Eltern, die ihre Kinder bewusst nicht impfen, für diesen Ausbruch verantwortlich sind. Unter den über 400 Kommentaren, die ich daraufhin erhielt, fanden sich wieder alle Verschwörungstheorien der Impfskeptiker: Das Impfen löse Autismus oder HIV aus, eine gute Ernährung schütze ausreichend und es gehe beim Impfen nur um den Profit der „Pharma-Mafia“. Wer so argumentiert, lässt sich nur in den seltensten Fällen von rationaler Aufklärung beeindrucken. Denn das Schlimme ist, dass diese Menschen sich für ungeheuer aufgeklärt halten – und Impfbefürworter für naiv. Daher plädiere ich für eine Impfpflicht für Masern – zumindest für alle Kinder, die eine öffentliche Kita oder einen Kindergarten besuchen. Der Text ist am 27. Februar 2015 im Wiesbadener Kurier erschienen. Die Gegenrede übernahm Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Rheinland-Pfalz.
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